5 Minuten Lesezeit 12 Oktober 2023
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Wie sich die Finanzfunktion mit neuen Rollen umgestalten lässt

Von Gerd Winterling

Partner, Wirtschaftsprüfer, Head of Financial Accounting Advisory Services Germany, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

Unterstützt seine Mandanten beim Aufbau einer zukunftsfähigen Finanzfunktion und begleitet seine Kolleg:innen auf ihrer persönlichen Wachstumreise

5 Minuten Lesezeit 12 Oktober 2023

Challenger, Value Creator, Catalyst, Protector, Fundraiser, Treasurer – viele Rollen für den CFO!

Überblick
  • Neben den klassischen Aufgaben ist die Finanzfunktion in Zukunft in einer Vielzahl weiterer Rollen gefragt.
  • Bei FAAS definieren wir sie als Challenger, Value Creator, Catalyst, Protector, Fundraiser und Treasurer.
  • In einem von Unsicherheit geprägten Umfeld müssen Unternehmen robuster werden. Dem CFO kommt dabei die wichtige Aufgabe zu, das Business noch vielseitiger als in der Vergangenheit zu unterstützen.
  • Die Aufgaben reichen von der Verbesserung der finanziellen Performance über die Vorbereitung von Transaktionen bis hin zur Steigerung des Unternehmenswerts.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Status quo ihrer Finanzfunktion? Eine Reihe exogener und endogener Faktoren fordert die Finanzorganisation ständig heraus. Für den CFO bedeutet das: Seine Rolle wird noch wichtiger, er trägt ganz wesentlich dazu bei, den Unternehmenswert weiter zu steigern. Eine Alternative zu dieser Transformation gibt es nicht, im globalen Konzern genauso wenig wie im familiengeführten Mittelstand. Das Geschäft von morgen lässt sich nicht mit einer Finanzorganisation von gestern bewältigen.

Neben der klassischen Finanzfunktion wächst der CFO in der neuen Welt in gleich mehrere neue Rollen, die wir in unserem Bereich Financial Accounting Advisory Services (FAAS) als Challenger, Value Creator, Catalyst, Protector, Fundraiser und Treasurer definiert haben. Neben dem CEO rücken der CFO und das ganze Team in eine der wichtigsten Positionen im Unternehmen auf. Sie sind entscheidend, um das Unternehmen langfristig zukunftsfähig zu machen.

Maßgeschneiderte Ansätze statt Allround-Lösungen

Doch wie gelingt die Transformation am besten? Worauf soll der Fokus gesetzt werden, wenn die Ressourcen ohnehin knapp sind? Und wie lässt sich eine Finanzfunktion smart auf die Herausforderungen der kommenden Jahre umstellen?

Impulse für Finanzfunktionen im Mittelstand und in Scale-ups

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Klar ist, dass es für diese Fragen keine Standardantwort gibt; es existiert nicht die eine Agenda, die sich abarbeiten lässt. Zu unterschiedlich sind einzelne Unternehmen und ihre jeweilige Situation. Ein Schritt, der in einer Strategie unabdingbar ist, steht bei einem anderen Unternehmen weit unten auf der Prioritätenliste. Dann sorgt auch noch das unsichere wirtschaftliche Umfeld dafür, dass immer neue Anforderungen hinzukommen. Energiekrise und Fachkräftemangel, geopolitische Fragezeichen und technische Innovation, zusätzliche Anforderungen der Aufsichtsbehörden und gestörte Lieferketten tragen zur Dynamik dieser Entwicklung bei.

Finanzfunktion als „Challenger“ des eigenen Unternehmens

Die Erwartungen der Anteilseigner übertreffen, die finanzielle Tragfähigkeit strategischer Investitionen sicherstellen, strategische Wettbewerbsvorteile sichern und ausbauen – drei Beispiele, mit denen der CFO als „Challenger“ unternehmensintern eine Diskussion über die Rolle der Finanzfunktion und darüber hinaus anstoßen kann. In einer volatilen Lage ist es umso wichtiger, die Widerstandskraft des Unternehmens zu stärken, die Finanzperformance zu verbessern und strategische Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Naheliegend für viele Unternehmen: einen iterativen, evolutionären Prozess starten, an Details schrauben, Kleinigkeiten anpassen. Doch für eine Transformation, die diesem Namen gerecht wird, genügt das nicht. Gefragt sind ein Paradigmenwechsel und die agile Neuausrichtung der finanziellen Steuerung hin zu einem 360-Grad-Prinzip mit multiplen Steuerungsperspektiven.

Daten- und technologiegetriebene Handlungsfelder sind eine wichtige Grundlage dafür. Viel zu oft werden Finanzprozesse durch manuelle Arbeitsschritte, zeitaufwendige Aktivitäten und fehlende Kontrollen geschwächt. Jetzt ist der Zeitpunkt, eine einheitliche Datenbasis für finanzielle und nichtfinanzielle Informationen aufzubauen, die das gesamte Unternehmen umfasst. Dabei helfen digitale Prognosemodelle für die Finanzmodellierung und dynamische Szenarioanalysen sowie die Einführung von Reporting-Hubs, um das Management Reporting zu verschlanken und schnell operative Details aus Steuerungskennzahlen ableiten zu können.

Digitale Effizienz im Fokus

37%

der befragten CFOs sehen das Hauptanliegen für die kommenden drei Jahre in der Technologietransformation. Mit je 27 Prozent folgen fortgeschrittene Datenanalytik und Nachhaltigkeit.

Werte schaffen mit Transaktionen

Herausforderung ist wichtig. Doch dabei darf der CFO nicht aus den Augen verlieren, wie er Werte schaffen und Transaktionen des Unternehmens umsetzen kann, seine Aufgaben als „Value Creator“. Eine Wertsteigerung ist in unterschiedlichen Ausprägungen möglich. Organisches Wachstum lässt sich durch Übernahmen, Joint Ventures und strategische Allianzen ergänzen. In anderen Fällen passen Teile des Unternehmens nicht mehr richtig in die Strategie. Carve-outs und Veräußerungen sind Optionen, die – erfolgreich umgesetzt – die Konzentration aufs Kerngeschäft erlauben, den Cashflow steigern und damit die Unternehmensbewertung verbessern.

Die Entscheidung für solche Schritte liegt bei der gesamten Geschäftsführung. Doch sowohl bei der Vorbereitung als auch in der Durchführung stehen der CFO und das Finanzteam besonders in der Verantwortung. Sie orchestrieren den Prozess, sie stellen finanzielle Synergien sicher. Während bisher ein besonderer Fokus auf Compliance lag, geht es heute mindestens genauso sehr darum, Stakeholdern den Wert des Unternehmens zu vermitteln, um sie bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

„Catalyst“ für Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Digitale Vertriebskanäle, Prozessautomatisierung und Datenmanagement machen Unternehmen seit Jahren agiler und effizienter. Aber das Potenzial der Digitalisierung ist längst nicht ausgeschöpft. Bei dem Anspruch, noch schneller und flexibler zu werden, ist die Finanzfunktion selbst gefragt. Einheitliche Informations- und Planungssysteme verbessern die Datenbasis, Einblicke in die finanzielle Situation sind in Echtzeit möglich, Performance und Risiken lassen sich stets aktuell messen.

Parallel drängt die Gesellschaft auf eine andere große Umstellung: zu klimafreundlicheren Geschäftsmodellen. Informationen außerhalb des finanziellen Bereichs werden immer wichtiger. Stakeholder erwarten Transparenz, ESG-Vorgaben wie die EU-Taxonomie oder der „Green Deal“ liefern ein Gerüst für die Daten, mit denen Nachhaltigkeit gemessen wird. Auch hier ist die Finanzfunktion gefragt, weil Nachhaltigkeit alle Elemente des Finanzwesens beeinflusst.

Wächter über Compliance-Standards

Vorschriften und Regulierungen nehmen zu. Betroffen sind längst nicht nur große Konzerne. Für Unternehmen heißt das, Gesetze, Regeln, Richtlinien und ihre Weiterentwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Der CEO schlüpft in die „Protector“-Rolle, um sicherzustellen, dass sich das Unternehmen rechtskonform verhält, und zu überwachen, dass die Compliance-Anforderungen eingehalten werden. Finanzielles Reporting steht dabei genauso im Fokus wie Nachhaltigkeits- und Effizienzvorschriften.

Das hilft auch bei der Wahrnehmung: Unternehmen, die eine umfassende Compliance nachweisen können, werden in der Öffentlichkeit deutlich positiver wahrgenommen.

Finanzierung sichern, Liquidität steuern

Ideen brauchen Kapital. Als „Fundraiser“ erschließt der CFO interne und externe Finanzierungsquellen und prüft die passenden Angebote am Kapitalmarkt. Die Option eines Börsengangs kann ein Weg sein, die Finanzierungsstruktur zu optimieren. Alternativen sind die Emission von Anleihen oder eine Privatplatzierung. Alle Optionen sind verbunden mit neuen Anforderungen an die Finanzberichterstattung und die Kommunikation.

Die genannten Aufgaben erweitern die bisherige Rolle des CFO, der „Treasurer“ dagegen gehört zur traditionellen Jobbeschreibung. Doch die Anforderungen werden anspruchsvoller. Geschäftsleitung und Gesellschafter erwarten heute jederzeit Transparenz über den Finanzstatus. Dazu gehört auch die wirksame Risikoabsicherung von Liquidität, Ertrags- und Finanzlage.

Das ganze Spektrum: Chief Value Officer

In vielen Unternehmen gilt die Finanzfunktion bis heute als teure Notwendigkeit. Die neuen Aufgaben tragen dazu bei, sie zu einem zentralen Teil der Wertschöpfung zu machen. Der CFO wird zum Chief Value Officer, in dieser Position ist er Copilot des gesamten Business.

Die Transformation erhöht aber auch den Druck. Es gilt, noch schneller, effizienter und faktenbasierter zu handeln. Den meisten mittelständischen Unternehmen bleibt angesichts des breiten Spektrums an Herausforderungen keine Wahl: Sie müssen robuster werden.

Für jeden CFO bedeutet das, eine persönliche Agenda für den Umbau zu formulieren, individuell zugeschnitten auf die Situation – und das Unternehmen so nicht nur zukunftsfähig zu machen, sondern fit für den langfristigen Erfolg.

Fazit

Ein volatiles Umfeld, schneller technischer Fortschritt, zunehmende Regulierung, steigende Ansprüche der Stakeholder – das sind nur einige der Faktoren, die dazu führen, dass auf CFOs eine Reihe zusätzlicher Aufgaben zukommt. Vielen galt die Finanzfunktion lange als Kostentreiber und als Aufbereiter vergangenheitsorientierter Informationen. Heute wachsen CFOs immer mehr in die Rolle eines zukunftsgerichteten Werttreibers. Aber es gibt nicht eine Blaupause, die für alle passt. Jedes Unternehmen muss seine eigene CFO-Agenda gestalten und sie zügig vorantreiben.

Über diesen Artikel

Von Gerd Winterling

Partner, Wirtschaftsprüfer, Head of Financial Accounting Advisory Services Germany, EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft | Deutschland

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